Ausstellung „STILLE POST“ – alles andere als still

Sundern. Das Künstlergespräch zwischen der Künstlerin Linda Nadji und dem Kurator Gérard Goodrow brachte es vor Kurzem ganz klar auf den Punkt: Die Ausstellung in Sunderns Stadtgalerie, die hell und klar strukturiert ist, und dabei eher still und fast sanft erscheint, ist eigentlich alles andere als still. Auch wenn der Titel „STILE POST“ dies zusätzlich suggeriert.

Die Künstlerin bespielt die Stadtgalerie nicht nur mit Kunst, sondern sie scheint dem Raum neue Dimensionen zu geben. Zusätzliche Fußbodenbahnen schaffen eine neue Wahrnehmung des Raumes, indem sie die mittige Säule, die ansonsten oft als störend empfunden wird, kreuzen, und sie plötzlich in einen gewollten Mittelpunkt stellen. Ebenso erlangt eine der Außensäulen einen völlig neuen Signalcharakter, indem Linda Nadji sie mit einem Band aus roter, reflektierender Folie umschlingt, die eigentlich als Schutzmarkierung für LKW-Planen gedacht ist. Sie greift dabei ein Produkt der heimischen Industrie auf, hier der Fa. Franz Miederhoff, das sie auf diesem Weg in ein künstlerisches Material transformiert.

Künstlerin zwingt Besuchern keine Geschichten auf

Obwohl eine ganze Wand mit der Innenseite von Briefumschlägen, alles Briefzustellungen an die Künstlerin und ihre Familie, bestückt ist, Stühle zu „unsitzbaren“ Objekten werden, ein wächsernes Haus auf Rädern an einer Leine gezogen werden kann, oder ein Luxusartikel von Prada zum Pradada Objekt mutiert, zwingt Linda Nadji den Besuchern keine Geschichten auf. Sie sind einfach da. Stecken in jedem einzelnen Teil, bevor sie sich durch die künstlerische Intervention hinter der formalen Ästhetik der Materialien zurückziehen.

Linda Nadji ist nicht still. Sie erzählt, dass sie als Achtjährige Anfang der 80er Jahre mit ihrer Familie aus Persien geflüchtet ist. Sie weiß also um problematische Situationen, denen geflüchtete Menschen oftmals ausgesetzt sind. Da kann der „STILLEN POST“, einem bei uns eher humorvollen Gesellschaftsspiel um Worte, plötzlich eine ganz neue Bedeutung zukommen. Z.B. eine Briefzustellung, die still bleibt, weil sie völlig unverständlich für den Adressaten ist. Oder eine Tasche aus Beton, die klein, aber sehr schwer ist, wie die mitgenommene Habe von geflüchteten Menschen meist sehr gering, die Last des Flüchtens aus ihrer Heimat dagegen sehr groß ist.

Ausstellung verschließt sich nicht gesellschaftspolitischer Brisanz

Die Künstlerin, die in Köln und Düsseldorf Kunst, Schauspiel und Design studiert hat, ist längst heimisch geworden in Deutschland. Natürlich aber trägt sie ihre persischen Wurzeln in sich, und nimmt sie auch mit in ihre Kunst, wo sich dann völlig unsentimental, mal lakonisch, mal augenzwinkernd Inhalte aus Orient und Okzident untrennbar verbinden. Eine Ausstellung, die mit ausgezeichneter künstlerischer Handhabe ganz nah an der Realität agiert, und sich gesellschaftspolitischer Brisanz nicht verschließt.

Termine zu Führungen und Infos unter 0171 120 47 16 (Anne Knapstein), Termine sind auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Öffnungszeiten: Mi-Fr 16-18:30 Uhr, Sa und So 12-18 Uhr. Dauer der Ausstellung bis zum 1. September 2019

Am 1. September findet zur Finissage der parallelen Projektraumausstellung das Künstlergespräch mit dem Künstler Kai Gürntke und Gérard Goodrow statt.