Hochsauerlandkreis. Brilon. Marsberg. Man könnte meinen, dass diese Frage ganz einfach zu beantworten ist.
§ 23 Bundesnaturschutzgesetz sagt dazu:
“(1) Naturschutzgebiete sind rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist
1. zur Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten,
…”
Das scheint auch fast überall so zu gelten – nur die Mehrheit im Kreistag des Hochsauerlandkreises scheint das anders zu sehen. In der letzten Sitzung ging es wieder mal um eine Ausnahme vom Schutz von Tieren in Naturschutzgebieten. Normalerweise dürfen in einem Naturschutzgebiet keine Kormorane geschossen werden. Dem Landschaftsbeirat wurde in seiner Sitzung am 19.11.2013 von der Verwaltung der Antrag vorgelegt, den Abschuss von Kormoranen in einigen Naturschutzgebieten doch zuzulassen. Dieses Ansinnen lehnte der Landschaftsbeirat ab. Ein Mitglied wies in der Diskussion darauf hin, dass Kormorane auch in allen anderen Kreisen in NRW nicht innerhalb von Naturschutzgebieten geschossen werden dürfen.
Man könnte denken, dass das Thema damit erledigt sei. In die veröffentlichte Tagesordnung für die nächste Kreistagssitzung wurde es gar nicht erst aufgenommen. Doch die Fischerei-Lobby gab nicht auf. Zwar geschah zunächst lange nichts, aber einen Tag vor der Kreistagssitzung am 13.12.2013 wandte sich die Fischerei-Lobby an Landrat und Kreisverwaltung mit dem Antrag, der Kreistag möge den Beschluss des Landschaftsbeirats kippen und den Kormoran-Abschuss an Hoppecke und Diemel zulassen.
Nun gibt es klare Regelungen für die Tagesordnungen von Sitzungen des Kreistags und der Gemeinderäte. Alle Tagesordnungspunkte müssen vorher bekannt gegeben werden. Damit können sich die Mitglieder des Gremiums auf diese Punkte vorbereiten, und die Öffentlichkeit weiß vorher Bescheid, was zur Entscheidung ansteht. Nur in ganz engen Ausnahmefällen dürfen während der Sitzung zusätzliche Tagesordnungspunkte aufgenommen werden. Voraussetzung dafür ist u.a., dass eine Angelegenheit keinen Aufschub duldet oder eine “äußerste Dringlichkeit” besteht. Im Fachkommentar heißt es dazu: “Keinen Aufschub duldet eine Angelegenheit, wenn ihre Entscheidung unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Ladungsfrist nicht bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden kann, ohne dass Nachteile eintreten, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können … Beispiele sind der Ablauf von Fristen oder drohende finanzielle Verluste, z.B. Verzinsungsaufwendungen“. Dabei haben Kreistag und Rat keinen Beurteilungsspielraum, auch nicht mit einem Mehrheitsbeschluss.
Die sehr engen Voraussetzungen für eine Erweiterung der Tagesordnung liegen hier sicherlich nicht vor. Trotzdem verteilte die Kreisverwaltung in der Sitzung eine Tischvorlage, der Kreistag beschloß mit Mehrheit die Erweiterung der Tagesordnung und stimmte anschließend mit Mehrheit dem Vorschlag der Verwaltung zu, den Abschuss von Kormoranen in den Naturschutzgebieten “Unteres Diemeltal” und “Oberes Diemeltal” doch zuzulassen. Eine inhaltliche Vorbereitung auf diesen Tagesordnungspunkt war nicht möglich, weil davon ja vorher nichts bekannt war.
Doch die SBL gibt sich damit nicht zufrieden. Kreistagsmitglied Reinhard Loos forderte den Landrat zwei Tage nach der Kreistagssitzung auf, den Beschluss des Kreistags wegen erheblicher formeller Mängel “gemäß § 39 Abs. 2 KrO NRW umgehend zu beanstanden”. Das ist nun schon drei Wochen her, und noch immer ist keine Antwort des Landrats eingegangen. Auf die Fischerei-Lobby haben Landrat und Kreisverwaltung viel schneller reagiert…
Quelle: Sauerländer Bürgerliste (SBL)