PFT-Skandal und Einstellung des Gerichtsverfahrens

Umweltstrafrecht muss erneuert werden – Es geht um die Vitalität betroffener Menschen und um viel Geld

Arnsberg. Die Verseuchung von Ruhr und Möhne durch die indirekte Einleitung von PFT hatte vor rund sieben Jahren die Stadt Arnsberg und ihre Bürgerinnen und Bürger in besonderer Weise betroffen und getroffen. Anlässlich der heutigen Einstellung des Gerichtsverfahrens folgen nun die Stel-lungnahmen der Stadt.

1.Bürgermeister Hans-Josef Vogel:

Ganz offenkundig kann man dem Gericht keinen Vorwurf machen. Im Gegenteil. Was alle auch an diesem schlimmen Umweltfall wieder lernen können, ist, dass das Umweltstrafrecht unter den heutigen Bedingungen von vorne bis hinten nicht ausreicht. Die Umwelttäter machen das, weil sie heute im Unterschied zu früher schrecklich viel Geld machen können, und das Umweltstrafrecht diese Veränderung nicht berücksichtigt. Der Übeltäter kann die fehlende bzw. viel zu geringe Sanktion in Kauf nehmen, weil er in der Relation dazu, ein Mannigfaches an Geld verdienen kann.

Das ist das eine. Das andere ist: Das Umweltstrafrecht dient heute aufgrund der Sensibilität des Ökosystems nicht nur dem Schutz der Umwelt, sondern vor allem dem Schutz der Menschen. Der Anschlag auf die Umwelt greift – wie wir an diesem PFT-Anschlag sehen können – nicht nur die Vitalität des Ökosystems an, sondern ist zugleich ein Angriff und eine Beschädigung der Vitalität des Menschen. Es gibt also immer zwei Opfer: die Umwelt und den Menschen. Denn wo bleiben heute die Sorgen und Beeinträchtigungen des Menschen: die Sorgen der Eltern, die für die Versorgung ihrer kleinen Kinder nur abgekochtes Wasser verwenden dürfen, die Sorgen der Ärzte bis hin zu den Zahnärzten, die für die Zahnbehandlung nur abgekochtes Wasser verwenden dürfen, die Sorgen der Menschen, die auf das Ergebnis der Blutuntersuchung warten, die Sorgen der Menschen, die das Zeug im Körper haben, was sich nur langsam abbaut. Diese Menschen und ihre Sorgen habe ich als Bürgermeister ganz konkret kennen gelernt. Sie sind auch mir nahe gegangen. Das Umweltstrafrecht muss heute auch den negativen Auswirkungen auf Vitalität und Empfindlichkeit menschlichen Lebens angemessen berücksichtigen.

Kann es zukünftig nicht auch eine art Nebenklagemöglichkeit für die betroffenen Menschen geben?

Aufgrund der Komplexität und der vielen Vertuschungsmöglichkeiten brauchen wir demnächst „Umweltfahnder“, d.h. Experten, vergleichbar mit Lebensmittelkontrolleuren oder Steuerfahndern. Oder tut der Staat nur etwas, wenn er selbst materiell benachteiligt wird?

Es muss sich was ändern, weil in unserer heutigen Zeit Umwelttaten immer mehr auch uns Menschen und unsere Vitalität beeinträchtigen, treffen und weil es den Umwelttätern heute um immer mehr Geld geht.

 

2. Ulrich Midderhoff, Leiter der Stadtwerke Arnsberg:

Aus Sicht der Stadtwerke ist die Einstellung des Verfahrens eine Enttäuschung für alle Wasserkunden entlang von Möhne und Ruhr. Es ist ein Signal in die falsche Richtung. Ich erinnere daran, dass wir durch diese Handlungen wochenlang an Schwangere und Kleinstkinder kostenlos Mineralwasser verteilt haben. Durch diesen PFT-Skandal ist ein Schaden von rund 1,2 Millionen Euro entstanden. Diese Summe war erforderlich, um eine sichere, hygienische und einwandfreie Trinkwasserversorgung in Arnsberg wieder herzustellen. Weitere rd. 10 Mio. € wurden in eine neue, moderne Aufbe-reitungstechnik investiert, um in Zukunft unter anderem gegen solche Anschläge auf die Trinkwasserversorgung gewappnet zu sein. Wir entscheiden in den nächsten Wochen, wie wir unsere zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen gegen die Verursacher weiter gerichtlich verfolgen.