Ist der „Durchschschnitt“ der größte Lügner?

Sundern. Klar, prima und sehr unterhaltsam erklärte jetzt, Lothar Binding, bekannt als „der Mann mit dem Zollstock“, Bundestagsabgeordneter und Bundesvorsitzender der AG 60plus, das Thema Steuerpolitik in Stockum.

„Wer ist der größte Lügner im ganzen Land? Der Durchschnitt! Im Durchschnitt geht es den Deutschen nämlich sehr gut. Aber der Durchschnitt verschweigt die Armut und versteckt den Reichtum“, so begann der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Lothar Binding, seinen Redebeitrag bei der AG 60plus, nachdem er vom Vorsitzenden der AG Manfred Schlicker herzlich begrüßt wurde.

Lothar Binding, der seit 20 Jahren im Bundestag für eine gerechtere Steuerpolitik kämpft, stellte sich den Besuchern als fach- und sachkundiger Experte vor, der selbst komplexe und schwierige, steuerliche und finanzpolitische Sachverhalte gut, verständlich und überaus unterhaltsam darzustellen in der Lage ist.

Seine einzigen Hilfsmittel sind ein Flipchart mit anfangs noch unbeschriebenen Blättern und ein roter Zollstock.

Auf dem roten Zollstock zeigt er anschaulich, wie eklatant und gravierend die Unterschiede zwischen arm und reich zum Beispiel in einem deutschen Unternehmen sind: „Wenn in einem Unternehmen die Leute im Durchschnitt vier Zentimeter verdienen, also der Reinigungsdienst vielleicht zwei Zentimeter und die Ingenieurin acht Zentimeter, dann verdienen die Manager 50 mal so viel, nämlich zwei Meter!“

Darüber hinaus erläuterte der SPD – Finanzexperte auch, dass unmittelbar nach dem Krieg die Steuer für die sehr Reichen bei 90 Prozent gelegen habe. „Und, stellen Sie sich vor“, rief er den Besuchern zu, „keiner hat deswegen damals das Land verlassen. Wir sollten uns von Drohungen, dass die superreichen Deutschen, bei veränderten Steuersätzen, auswandern würden, nicht einschüchtern lassen!“, so Binding.

Es gebe eine „unmoralische und unanständige Diskrepanz“ in Deutschland zwischen arm und reich, so Lothar Binding. „Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt in Deutschland bei etwa 30.000 Euro, es gibt aber auch viele Menschen in unserem Land, die verdienen 50.000 Euro am Tag“, untermauerte er diese These.

Eindrücklich und umfassend beschrieb Binding die Tricks und Methoden, mit denen große Unternehmen Steuerzahlungen vermeiden. Neben der Gründung von Tochterfirmen in Steueroasen oder der Verlagerung der Firmenzentrale dorthin, ist das Verschieben der Kosten für Zinsen, Lizenzen und sonstiger Leistungen zwischen Unternehmensteilen in den verschiedensten Ländern, gängige Praxis.

Die Gewinne fallen damit dann nicht in Deutschland, sondern in Steueroasen an und werden dort nur minimal besteuert. Das führt dazu, dass Unternehmen wie Apple, Google, Amazon oder IKEA in Deutschland so gut wie keine Steuern zahlen.

 

Ziel der SPD Bundestagsfraktion sei es zum Beispiel, so Lothar Binding, in Europa eine Meldepflicht für Banken und Anwaltskanzleien einzuführen, die Briefkastenfirmen schaffen oder vermitteln.

Darüber hinaus, sollte als nationale Maßnahme, harte Sanktionen für die geschäftsmäßige Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung ermöglicht und eine Ausweitung der Verjährungsfrist eingeführt werden.