Eine Ausstellung des Kunstvereins Sundern- Sauerland e.V. zum Thema „Respekt und Toleranz“

Eine Ausstellung des Kunstvereins Sundern- Sauerland e.V. zum Thema „Respekt und Toleranz“

anlässlich des 75. Jahrestags der Reichspogromnacht in Zusammenarbeit mit der Stadt Sundern
Sundern. Mit der Ausstellung „Bettina Flitner – Menschen.“ nimmt der vor einem Jahr gegründete Kunstverein Sundern-Sauerland e.V. an der Veranstaltungsreihe der Stadt Sundern zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht vor 75 Jahren teil. Diese Ausstellung ist zum einen ein Aufruf zu mehr Respekt und Toleranz in der Gegenwart und in der Zukunft, zum anderen holt sie Aspekte vom „Rande der Gesellschaft“ zurück in unser Bewusstsein. Denn „Gedenken“ an ein schreckliches Ereignis heißt nicht nur auf Vergangenes zurückzuschauen und daraus zu lernen, sondern ein öffentliches Gedenken geht auch mit der Verpflichtung einher, sich Aktuelles „bewusst“ zu machen.
Der Kunstverein Sundern präsentiert die erste umfangreiche Übersicht der letzten 25 Jahre aus dem Werk der Fotografin Bettina Flitner. Charakteristisch für Flitner sind serielle Fotoessays, bei denen sie häufig mit Zitaten arbeitet und ihr analytischer wie empathischer Blick auf Menschen. Das gilt auch für ihre Serie „Nachbarn“ von 1991 in Hoyerswerda nach den rassistischen Übergriffen. Dort porträtiert sie beide Seiten, Opfer wie Täter. Bei ihrer Reportage in Thailand 1994, in der erstmals nicht nur die Prostituierten, sondern auch die Freier gezeigt werden, wird das gleichermaßen deutlich. Fast 20 Jahre danach begibt sie sich nochmals auf die Spur der Freier. Sie fotografiert im Frühjahr 2013 die Kunden eines deutschen Großbordell und fragt: „Warum kaufen Sie Frauen?“ Diese heiß diskutierte Serie, die für das Magazin stern entstand, wird in Sundern erstmals ausgestellt.
Aufsehen erregte auch Flitners Serie „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“. „Aus den Bildern spricht genau das, was Hannah Arendt vor Jahrzehnten die ‚Banalität des Bösen’ nannte“, lautete die Begründung der Jury für den Preis für politische Fotografie. Die Porträts von jungen Rechtsradikalen aus Berliner Vorstädten sind in einer überlebensgroßen Installation zu sehen. Daneben steht die „Reportage aus dem Niemandsland“, entstanden unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer 1989/90. Flitner fotografierte und befragte Menschen auf dem ehemaligen Todesstreifen nach ihrem Leben und ihren Träumen. Diese Serie wurde international ausgestellt, von Berlin bis Warschau und San Francisco.

Pressekontakt: Brandconcert, Matthias Berghoff, Tel. 0173-7083883
Gleichzeitig hat Bettina Flitner immer wieder Frauen porträtiert. In Sundern werden ihre Porträts der „großen Europäerinnen“ zu sehen sein, die den Kontinent geprägt haben: Von Schriftstellerinnen und Künstlerinnen bis hin zu Menschenrechtlerinnen und Politikerinnen.
Der Blick ins Innerste der Menschen, den Flitners Arbeit kennzeichnet, ruft regelmäßig leidenschaftliche Reaktionen bei den Betrachtern hervor. Über viele Arbeiten ist heftig diskutiert worden, teilweise bis hin zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. So z.B. bei ihrer Trilogie „Mein Herz. Mein Feind. Mein Denkmal.“ Auch sie wird in dieser Gesamtschau zu sehen sein. Dazu hat die Fotokünstlerin in den Jahren 1992 – 96 zufälligen Passantinnen Fragen nach ihrem Leben gestellt: – „Haben Sie schon mal ihr Herz verloren?“ – „Haben Sie einen Feind?“ – „Haben Sie ein Denkmal verdient?“ Die Porträtierten posierten mit Spielzeugwaffen oder Engelsflügeln und erzählen über ihre geheimsten Gedanken und Gefühle. Flitners mehrfach preisgekrönter Film „Mein Feind“, der ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist, zeigt die heftigen Reaktionen der Menschen und Medien auf die erste Installation dieser überlebensgroßen Fotoskulpturen in einer Fußgängerzone in Köln.
Es fehlt in dieser Ausstellung auch nicht eine ihrer jüngsten Arbeiten: Die „Boatpeople“. Hier fotografierte Bettina Flitner Menschen in einer urzeitlichen Barke aus Burma auf dem Rhein. Diese Serie veranschaulicht die poetische Seite der Fotografin, die, bei allem Ernst, fast immer auch humorvoll ist.
„Bettina Flitner – Menschen.“ Eine Ausstellung des Kunstvereins Sundern-Sauerland e.V. in der Stadtgalerie Sundern, Lockweg 3, 59846 Sundern Ausstellungsdauer: 11.11. bis 29.12.2013 Vernissage: Sonntag, den 10.11.2013, 14:00 Uhr

 

Bettina Flitner
Bettina Flitner, 1961 in Köln geboren, wo sie seitdem lebt und arbeitet, ist Fotografin und Filmemacherin. Ihre Filmerfahrungen haben ihre Fotoarbeiten geprägt.
Sie absolvierte eine Ausbildung zur Cutterin beim WDR und studierte an der „Deutschen Film- und Fernsehakademie“ in Berlin. Ihre ersten Filme wurden vielfach ausgezeichnet. Bettina Flitner setzt seit 1990 den Hauptakzent auf die Fotografie, seit 1992 ist sie assoziiertes Mitglied der Fotografenagentur laif.
Ihre Fotoessays haben meist einen seriellen Charakter, und häufig arbeitet sie mit der Kombination von Bild und Text. Erstes Aufsehen erregte Flitner mit ihrer „Reportage aus dem Niemandsland“, ihrer Fotoserie über Menschen aus West und Ost bei Mauerfall 1989. Ab Beginn der 1990er Jahre ging sie mit ihren Arbeiten in den öffentlichen Raum, ihre Porträts wuchsen zu überlebensgroßen Fotoskulpturen. So ihre vielbeachtete Trilogie „Mein Feind – Mein Denkmal – Mein Herz“ aus den Jahren 1992-1995, mit der sie „den Kunstbetrieb infiltrierte und seine Grenzen sprengte“ (Klaus Honnef). 
Ihre Installationen im öffentlichen Raum erzeugen immer wieder kontroverse und heftige Debatten bei Menschen wie Medien. Ebenso wie ihre preisgekrönte Arbeit „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“ über rechtsradikale Jugendliche, die sie weder denunziert noch akzeptiert. Die Jury der „Rückblende 2000“ über die Arbeit: „Aus den Bildern spricht genau das, was Hannah Arendt vor Jahrzehnten die ‚Banalität des Bösen’ nannte“. Mit dieser Arbeit ging Flitner aus dem öffentlichen Raum in den traditionellen Kunstbetrieb und schockierte auf der ART Cologne 2001 in der Förderkoje für junge KünstlerInnen mit einer beklemmenden Rauminstallation.
2004 erschien Bettina Flitners Portraitband „Frauen mit Visionen“. Sie hat dafür ganz Europa bereist und Frauen, die den Kontinent über ihr eigenes Land hinaus geprägt haben, portraitiert. Staatschefinnen wie Menschenrechtlerinnen, Künstlerinnen wie Schriftstellerinnen. Das Porträtieren weiblicher „Vorbilder“ setzte Flitner mit ihrer Arbeit „Frauen die forschen“ fort, für die sie 25 deutsche Spitzenforscherinnen fotografierte. 2012 folgte das Buch „Boatpeople“, eine humorvolle und poetische Arbeit, die sie mit Menschen in einer Fischerbarke aus Burma am Ufer des Rheins realisierte. Ebenfalls 2012 veröffentlichte sie den Fotoband „Reisen in Burma“.
Bettina Flitner Arbeit bewegt sich zwischen den Genres, sie changiert zwischen dokumentarischem Journalismus und inszenierter Fiktion.