Akademie 6 bis 99 unterwegs zum Kraftwerk der Möhnesee-Sperrmauer
Marita Gerwin.
Arnsberg / Soest Bis auf den letzten Platz gefüllt ist der Vortragsraum des Ruhrverbandes im Hauptkraftwerk, am Ausgleichsweiher unterhalb der Möhnesee-Sperrmauer am Samstag, 29. Juni 2913. Dort empfängt Dr. Burkhard Vollmer die fast 70 wissbegierigen kleinen und großen Gäste der Akademie 6 bis 99 aus Arnsberg. Eine Exkursion, die spanender nicht sein kann: Heute blicken wir hinter die Kulissen einer Talsperre, erleben die eindrucksvolle Technik und verstehen, warum unser Trinkwasser ein so kostbares Gut ist!
Dr. Burkhard Voller nimmt die Gäste mit auf eine Reise in die Wasser-Welt. „Die Möhnetalsperre feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag! Nach nur fünfjähriger Bauzeit konnte sie 1913 in Betrieb genommen werden. Die leicht bogenförmige Gewichts-Staumauer besteht aus Bruchsteinen aus dem Müscheder Steinbruch. Die Staumauer ist bogenförmig angelegt, um Spannungen durch Temperaturveränderungen bei dem massiven Baukörper weitgehend zu verhindern. Sie ist 650 Meter lang und bis zu 40 Meter hoch und kann 134,5 Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen. 17 Badewannen voll Wasser fließen pro Tag in den Möhnesee. 1 Person verbraucht im Schnitt 125 Liter frisches Wasser pro Tag. Das würde bedeuten, dass diese eine Person 3 Millionen Jahre lang Wasser aus dem Möhnesee nutzen könnte, bis er leer wäre“, scherzt Herr Vollmer. „Poooh, dann wäre diese Person ja so alt wie ein Dinosaurier“, kontert die 8-jährige Hanna. Alles lacht. Eine entspannte Atmosphäre herrscht in der Akademie 6 bis 99. So macht das Lernen Spaß! „Die Stadt Köln könnte sich 3 Jahre lang mit Wasser aus dem Möhnesee versorgen, bis er leer wäre“, veranschaulicht der Fachexperte. So verstehen die Zuhörer, wie die Welt zusammenhängt. „Der Möhnesee ist über zehn Kilometer lang, an der tiefsten Stelle bei Vollstau 36Meter tief und rund 1037Hektar groß. Direkt unterhalb der Staumauer befindet sich ein kleines Ausgleichsbecken. Der ehemalige Ort Kettlersteich versank beim Bau des Stausees vollkommen im Wasser. Das Dorf Delecke wurde ebenfalls zum größten Teil geflutet“, erklärt Vollmer den Gästen. Staunen in der Runde der Zuhörer.
Die Aufgaben des Möhnesees „Die Talsperre dient der Niedrigwasser-Aufhöhung, dem Hochwasserschutz und der Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die Regulation des Wasserstands der Ruhr garantiert eine gleichmäßige Versorgung des Ruhrgebiets mit Roh- und Brauchwasser. Im Hauptkraftwerk wird die Energie des Wassers durch zwei Turbinen in Strom umgewandelt. Damit können ca. 3000 Haushalte umweltfreundlich und klimaneutral mit Elektrizität versorgt werden. Um bei Hochwasser einen Überlauf zu ermöglichen, sind in der Mauerkrone, unterhalb der Fahrbahn, 105 Öffnungen eingelassen. Ein Teil der Energie des herabströmenden Wassers wird auf der Luftseite der Staumauer durch die hervorstehenden Bruchsteinquader bereits umgewandelt. Der Ausgleichsweiher dient anschließend als Tosbecken. Um die Mauer zu schonen und wegen der Energieerzeugung, wird ein Überlaufen über die Öffnungen der Hochwasser-Entlastung möglichst vermieden. „Wie oft läuft die Talsperre über?“, will Stefan (24) wissen. “Zuletzt lief die Talsperre im August 2007 über. Das vorletzte Überlauf-Ereignis war 1984“, erklärt der Fachmann. „Das ist zwar für Touristen ein Naturschauspiel, aber für uns als Ruhrverband nicht gewollt, wie ihr Euch sicher denken könnt!“ Die Auswirkungen werden gemeinsam diskutiert. Jeder im Raum versteht sofort, um was es geht…!
Natur und Umwelt „Der Möhnesee ist nicht nur ein Trinkwasser-Reservoir, sondern ist auch als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Der Hevesee und der Hevearm im Süden des Möhnesees und der Einlauf der Möhne in den See sind sogar ausgewiesene Naturschutzgebiete! Mit 4.000 bis 6.000 Wasservögeln ist er ein bedeutender Rastplatz in Nordrhein-Westfalen. Im See wurden 13 Fischarten bei Probebefischungen des Ruhrverbands gefunden“, erklärt Vollmer.
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Mucksmäuschen still wird es, als Dr. Bernhard Vollmer den Akademie 6 bis 99 Gästen vor dem Betreten des Kontroll-Stollens, den Nachbau einer Bombe aus dem zweiten Weltkrieg erklärt, die dort ausgestellt ist. Alle Generationen sind gleichermaßen ergriffen als sie hören: „Die Möhnetalsperre wurde im Zweiten Weltkrieg durch einen britischen Bombenangriff in der Nacht vom 16. auf den 17.Mai 1943 zerstört. Durch die daraus resultierende Flutwelle, die sich über die Möhne bis weit ins Ruhrtal ergoss, kamen viele Menschen im Möhnetal ums Leben“ Eine lebhafte Diskussion entsteht zwischen den Generationen über Ursache und Wirkung, über den Krieg und dessen Folgen.
Bis tief in den Stollen hinein. Dann geht es hinunter in den Kontrollschacht. Die schwere Metalltür wird zur Seite geschoben. „Puh, ist das lausig kalt hier!“, ruft Frederik. „Schau mal, da perlt das Wasser an der Wölbung herunter! Sieht aus wie lauter Liebesperlen!“, scherzt Philipp und streicht mit der Hand über die Kalkausblutungen an der Wand. „Und wie das hier unten hallt. Es hört sich an, als wenn Herr Vollmer oben im Schacht, noch einmal reden würde!“.
Die Kinder und Jugendlichen staunen genauso wie die Erwachsenen, die dicht gedrängt im Stollen stehen. „Irgendwie ist es mir wenig mulmig! Wenn ich mir vorstelle, wie hoch der Wasserdruck auf die Staumauer ist?“ „4.5 Bar!“ ruft jemand aus dem Hintergrund. „Vor dem unteren Drittel der Staumauer befindet sich eine dreieckförmige Vorschüttung aus Ton und Lehm. Der sog. Intzel-Keil. Er soll die Mauer zusätzlich im Bereich des höchsten Wasserdrucks abdichten“, erklärt Bernhard Vollmer. „Aha. Trotzdem ist mir nicht ganz wohl!“ flüstert Carolin ihrer großen Schwester Sabrina zu. Ihr etwas ängstlicher Blick geht in die tiefe Röhre hinein. „Gab es den Kontrollschacht schon von Anfang an?“, will Paul wissen. „Nein, der wurde erst 1970 durch die Staumauer getrieben!“ antwortet der Experte. Konzentriert hören die interessierten Gäste zu, wie Vollmer das umfangreiche Messprogramm, das Sickerwasser-Messsystem, die Kenngrößen zur Beurteilung der Standfestigkeit und Gebrauchstauglichkeit des gewaltigen Bauwerkes mit verständlichen Worten erklärt. Fragen über Fragen prasselten auf ihn ein „Bewegt sich die Mauer minimal? In welchen Abständen werden diese Messwerte erfasst? Wie erfolgt die exakte Vermessung der Maueroberfläche, um mögliche Veränderungen frühzeitig zu erkennen? Wie wird die Wasserqualität der Talsperre geprüft?“ Geduldig vermittelt der Experte die biologischen und chemischen Parameter und die vielfältigen Aufgaben der Mitarbeiter des Ruhrverbands. Die jungen Leute staunten, als sie von den spannenden Berufsfeldern im Ruhrverband erfahren. Ist da vielleicht eine Idee für einen zukünftigen Beruf geweckt worden? Schön wär es.
Nach 2 1/2 Stunden verabschieden sich die begeisterten Zuhörer von Dr. Burkhard Vollmer. Eindrucksvoll hat er ihnen die Wasser-Welt verständlich erklärt. Zurück bleibt die Erfahrung, dass Lernen wunderbar sein kann, wenn es mit allen Sinnen geschieht.
Das 7.Jahr der Akademie 6 bis 99 in Arnsberg schließt damit ab. Nach den Sommerferien startet ein weiteres spannendes Schuljahr mit interessanten Themen aus den unterschiedlichsten Wissensgebieten. Näheres entnehmen Sie bitte in Kürze der Tagespresse.