NIEDEREIMER Vor einigen Tagen entdeckte ein Familienmitglied im Nachlass ihres Mannes eine alte Kladde. Als sie diese aufschlug, wusste sie sofort was sie in den Händen hielt. Es war das alte Tagebuch von Pater Linus Kötter, sie hatte es vor einigen Jahren von ihrer Oma zum Lesen erhalten. Doch es geriet nach und nach in Vergessenheit. Dieser Pater Kötter lebte und arbeitete im Krieg gut zwei Jahre in Niedereimer. Zu dieser Zeit wohnte er in einem Privatquartier an der Oberstraße (ht. Niedereimerstraße), einer weitläufigen Verwandten der Finderin. Diese, von Pater Kötter gemachten Aufzeichnungen, enthalten wertvolle Informationen aus dem Dorfleben Niedereimers in den schweren Kriegsjahren zwischen 1943 und 1945.
Linus Kötter wurde 1914 in Emsdetten geboren und wuchs dort auch auf. Nach seinem philosophisch-theologisches Studium legte er 1936 sein Gelübde bei den Herz-Jesu-Missionaren in Münster-Hiltrup ab. Die Priesterweihe erteilte ihm im Jahre 1941 der berühmte Bekennerbischof und Gegner der Nationalsozialisten Clemens August Graf von Galen in Münster. Ende 1943 kam er, für den erkrankten Pater Hoppe, nach Niedereimer als Pfarrverweser.
Kleine Kreuze für die Gefallenen
Selbst noch relativ jung, lag ihm die Jugend des Ortes besonders am Herzen und so knüpfte er schnell Kontakt. Nachdem auch aus Niedereimer mehr und mehr Männer und Söhne des Dorfes im Weltkrieg ihr Leben lassen mussten und wenn überhaupt in fremder Erde bestattet wurden, wurden auf seine Anregung hin in der Kirche kleine Kreuzchen für jeden Gefallen aufgehängt.
Drohende Hinrichtung in den letzten Kriegstagen
Ein folgenschwerer Gang für ihn ereignete sich am 11. April 1945. Er musste auf Drängen der amerikanischen Besatzer unfreiwillig als Parlamentär (bevollmächtigter Unterhändler zwischen feindlichen Heeren) in das noch unbesetzte Arnsberg. Hier sollte er für die kampflose Übergabe der Stadt Arnsberg sorgen. Doch in Arnsberg wurde er von dem nazitreuen Stadtkommanden festgesetzt und sollte in den letzten Kriegstagen wegen Landesverrat hingerichtet werden. Die Todesstrafe wurde jedoch nicht ausgeführt, allerdings wurde er in das Gefängnis der Jägerkaserne eingesperrt. Nach drei Tagen und der Besetzung Arnsberg aus anderer Richtung, konnte Pater Kötter gesund das Gefängnis in Arnsberg verlassen und nach Niedereimer zurückkehren.
Vielen noch im Gedächtnis
Pater Linus Kötter musste danach aus Erschöpfung das Krankenhaus aufsuchen und kehrte nach dem Krankenhausaufenthalt nicht wieder als Pfarrverweser nach Niedereimer zurück. Dadurch hat er vermutlich, bei seiner überraschenden Abreise im Mai 1945, das Tagebuch vergessen. Vielen der älteren Mitbürger Niedereimers und Arnsbergs ist der Name Linus Kötter heute noch präsent und im Gedächtnis. Nach seiner Genesung war er später noch an verschiedenen Orten als Geistlicher tätig. 1981 starb er nach schweren Leiden, im Alter von nur 66 Jahren, in Hiltrup.
Der Arbeitskreis für Dorfgeschichte und -entwicklung Niedereimer e.V. überlegt, ob sie das Tagebuch des Parlamentärs und Retters von Arnsberg, zu einem späteren Zeitpunkt mal veröffentlicht. Vielleicht als eine weitere Ausgabe des Heimatblattes „Der Ninivit“. Derzeit vertreibt (wie bereits berichtet) der AKD Niedereimer e.V. das aktuelle Heft mit dem Titel „75 Jahre danach – gerettete Geschichte(n) zu NS-Zeit, Krieg und Neubeginn“, mit zahlreichen Zeitzeugenberichten und unter anderem der Kirchenchronik erstellt von Pater Linus Kötter. Nähere Angaben hierzu finden sie im Schaukasten des AKD (Stephanusweg 11, Niedereimer) oder unter www.niedereimer.de/akd2020.
(Text: Detlef Becker, Arbeitskreis für Dorfgeschichte und -entwicklung Niedereimer e.V.)