Stasi-Opfers Wolf-Dietrich Krause und die harten Fakten

Stasi-Opfers Wolf-Dietrich Krause und die harten Fakten

Ein Vortrag in Soest und ein Interview zu Biermann und Meinungsfreiheit.

Mit circa 30 Zuhörern war der Vortragssaal im Soester Petrushaus gut gefüllt, als auf den Tag 37 Jahre nach dem „Kölner-Konzert“ von Wolf Biermann, Wolf Dietrich Krause als Referent des Geschichtsvereins über die „Jugendliche Opposition gegen das SED-Regime“ sprach. Wegen „staatsfeindlicher Hetze“ wurde er 1977 zu zwei Jahren Haft in der DDR verurteilt, aber 1978 von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Wolf-Dietrich Krause spricht meistens in Schulen, wo die Jugendlichen nicht selten zum ersten Mal mit dem Alltagsleben in der DDR konfrontiert werden und es oft nicht fassen können, wie dieser Staat auf deutschem Boden noch vor wenigen Jahren organisiert war. Für das durchweg ältere Publikum in Soest hingegen waren die Umstände in der Regel bekannt und dennoch erschütterte es einmal wieder mit einigen Filmausschnitten auf unerträgliche Zustände hingewiesen zu werden, wie z.B. den Wehrkundeunterricht oder Fahnenappelle, Feuersprüche und Handzeichen beim Kinderdrill. Besonders eindruckvoll waren die persönlichen Schilderungen Krauses aus seiner Haftzeit, die mit Demütigungen und Willkür einhergingen und u.a. von Verrat und Gewalt gekennzeichnet waren. Der 1954 geborene Wolf-Dietrich Krause, erlebte schon 1961 nach dem Mauerbau die Verhaftung seines Vaters, weil dieser sich kritisch über das Regime äußerte. Infolgedessen wurde er als Kind ausgegrenzt und die ganze Familie unter Druck gesetzt. 1975 stellte er den er den ersten Ausreiseantrag. Als Wolf Biermann am 16. November 1976 ausgebürgert wurde, war dies für alle Andersdenkenden in der DDR eine Initialzündung. Krause protestierte mit einem Brief an die Staatsführung und legte die Arbeit nieder. Die Folge waren Verhaftungen, Verhöre und letztlich ein Berufsverbot. Aber nichts konnte ihn daran hindern, das „Kölner Konzert“, das er auf Tonband ausgezeichnet hatte, weiter zu verbreiten und private Abende zu organisieren, in denen man sich alles gemeinschaftlich anhörte und darüber diskutierte. Im Westen angekommen machte sich Wolf-Dietrich Krause weiter für verfolgte Menschen in der DDR stark und wurde Mitglied der CDU. Beim Honeckerbesuch in Trier konfrontierte er den DDR-Staatschef direkt mit Plakaten zur Ausreise seiner Angehörigen. Nach der Wende engagierte sich Krause für die „Stiftung Aufarbeitung“, um besonders bei Jugendlichen weitgehend totgeschwiegene politische Zustände ins Bewusstsein zu rücken. Ich nutzte die Gelegenheit, um mit Wolf-Dietrich Krause ein kurzes Gespräch zu führen über Biermann und die Folgen. Frage: Wann haben Sie Wolf Biermann zum ersten gehört oder etwas von ihm gelesen? WD Krause: Von Wolf Biermann hatte ich so erstmals Ende 1975 von Freunden gehört, die ebenfalls mit den Verhältnissen in der DDR unzufrieden waren. Gesehen und gehört habe ich Wolf Biermann dann am 16.11.1976 im Fernsehen bei dem Konzert in der Kölner Sporthalle. Da ich von der Ausbürgerung schon wusste, nahm ich dieses Konzert auf einem Tonband auf, um es selbst und im Freundeskreis nochmal anhören zu können. Am 17.11.1976 habe ich einen Protestbrief gegen die Ausbürgerung Wolf Biermann an Honecker geschrieben und diesen Brief auch an den SFB in Westberlin geschickt. Gleichzeitig hatte ich meinem Arbeitgeber (Mitropa) schriftlich mitgeteilt, dass ich am 19.11.1976 wegen der Ausbürgerung Biermanns für einen Tag die Arbeit niederlege. Frage: Welches ist die größte Lehre aus dem Fall Biermann? WD Krause: Dass Biermann auf dem besagten Konzert in Köln, offen die Wahrheit über die DDR gesagt und damit die SED-Führung kritisiert hat. Biermann, der selbst an das Projekt einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geglaubt hat, war aber selbst durch die Gefahr einer Ausbürgerung nicht bereit, auf sachliche Kritik zu verzichten und sich verbiegen zu lassen. Dieses Verhalten hat sehr vielen Menschen in der ehemaligen DDR Kraft und Zuversicht gegeben. Eine Lehre war, dass die SED-Machthaber Biermann und vor allem die Wirkungen auf die Menschen unterschätzt haben. Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen!

Tanja Krienen