Märkischer Kreis. (pmk). Es waren die längsten acht Minuten ihres Lebens! Mit telefonischer Unterstützung von Björn Findegenant, Disponent in der Kreisleitstelle, führte eine hochschwangere Frau bei ihrem Ehemann Wiederbelebungsmaßnahmen durch bis der Rettungswagen eintraf.
Elif Makal hat durch ihre beherzte Reanimation vermutlich das Leben ihres Mannes Mehmet gerettet, auf jeden Fall aber jede Menge Lebensqualität. „Ich habe schon viel erlebt, aber die dramatischen Umstände dieser Rettungsaktion haben mich sehr berührt“, gibt Stephan Volkmann Leiter der Kreisleitstelle in Lüdenscheid zu. Gemeinsam mit Björn Findegenant gratulierte er der 36-jährigen Ersthelferin zu dieser besonderen Rettungsaktion mit einem Blumenstrauß. Was war passiert? Am 12. Oktober letzten Jahres wacht die im neunten Monat schwangere Frau früh morgens auf, weil ihr Mann neben ihr hörbar nach Luft ringt. Die Augen sind verdreht, er ist nicht ansprechbar. Elif Makal weiß, dass Mehmet einen Herzfehler hat. Geistesgegenwärtig zieht sie ihren Gatten vom Bett. Doch in ihrer Panik ruft die Lüdenscheiderin erst bei der Polizei an, bevor sie die 112 wählt.
Björn Findegenant nimmt den Anruf bei der Kreisleitstelle entgegen. Schnell und präzise stellt er seine Fragen. Nach 59 Sekunden sind Notarzt und Rettungsfahrzeug bereits alarmiert. „Auf meine Frage, ob sie sich eine Herzdruckmassage zutraue, antwortete sie gleich ‚Was soll ich tun?‘“, erzählt Findegenant. 10 Sekunden später beginnt die Telefonreanimation. Der Profi hilft ihr, den richtigen Rhythmus zu finden. „Ich war so dankbar für diese Stimme am Telefon. Sie hat mir in diesem Moment so viel Mut und Kraft gegeben weiter zu machen!“, lobt Elif Makal. Natürlich schießen ihr bei der Reanimation viele Gedanken durch den Kopf: „Was ist, wenn Mehmet es nicht schafft? Was wird aus mir und den Kindern? Was ist, wenn jetzt vor Aufregung die Wehen einsetzten? Was ist, wenn…“.
„Als ich von ihrem Zustand erfuhr, dachte ich nur, hoffentlich geht das gut. Aber sie hat alles richtig gemacht“, erinnert sich der Einsatzbearbeiter. Auch als bei Mehmet Makal kurzzeitig die Atmung wieder einsetzt, bleibt die ‚Stimme‘ bei Elif. Als sie seine Frage, ob die Atmung normal sei, verneint, ermuntert Findegenant Elif weiter zu machen. Als die Rettungskräfte nach acht Minuten eintreffen, weist er sie an, ihren Mann erst in die stabile Seitenlage zu legen, bevor sie die Tür aufmacht. „Ich habe mir vorgenommen, demnächst immer die Schlüssel an der Haustür stecken zu lassen. Ich war so froh, dass ich sie sofort gefunden habe, “ erzählt die Ehefrau. Im Rettungswagen wird ihr Mann erst stabilisiert und dann ins Krankenhaus gefahren. Aufgewühlt folgt sie mit ihrer vierjährigen Tochter.
„Die nächsten drei Stunden waren für mich die Hölle, keiner der behandelnden Ärzte hat mir was gesagt“, klagt Elif Makal. Ihr Mann liegt fünf Tage im Koma; die Ärzte machen ihr wenig Hoffnung, sprechen von möglichen schweren Schäden im Gehirn. Sie solle sich auf alles gefasst machen. Für sie ist es wie ein Wunder, als Mehmet dann aufwacht und sie nach einer Zeit der Orientierung normal anspricht und sie fragt, was passiert ist. Noch während sie erzählt und erleichtert zur Kenntnis nimmt, dass er sich an alles Wesentliche vor dem plötzlich Herzstillstand nach einem Kammerflimmern erinnert, merkt sie, dass bei ihr die Wehen einsetzen. Um ihren Mann nicht zu beunruhigen, überspielt sie es, solange sie bei ihm ist. Einige Stunden später erblickt der gemeinsame Sohn in den frühen Morgenstunden das Licht der Welt.
Dank der Tatkraft seiner Frau hat Mehmet Makal seinen Herzstillstand glimpflich überstanden. Er muss zwar mit einem implantierten Defibrillator leben, der ihn künftig vor einem plötzlichen Herztod bewahren soll, aber nach seiner Reha und Wiedereingliederung kann er jetzt schon wieder arbeiten. „Ich habe die richtige Frau geheiratet“, sagt der Pharmareferent dankbar.
„Bei einem plötzlichen Herzstillstand kommt es innerhalb von 3-5 Minuten zu irreversiblen Schäden im Gehirn, wenn keine Herzdruckmassage durchgeführt wird“, weiß Stephan Volkmann. Doch viele Menschen scheuen sich Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen, aus Angst etwas falsch zu machen. Elif Makal kann das nicht verstehen: „Was gibt es Schlimmeres, als nicht zu tun“, fragt sie. „Ich kann nur jeden ermutigen, sich von der Telefonreanimation leiten zu lassen. Es lohnt sich!“ Seit einigen Jahren arbeitet die Kreisleitstelle mit einem strukturierten Verfahren und einem festgelegten Katalog an präzisen Fragen und Sätzen. Wie eine Checkliste werden alle Fragen abgearbeitet. Wenn der Patient nicht bei Bewusstsein ist und nicht normal atmet, ermutigt der Disponent seinen Ansprechpartner zur Telefonreanimation, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts zu überbrücken. Seit Jahresanfang hat die Kreisleitstelle rund 70 dieser Telefonreanimationen durchgeführt. „Leider erfahren wir nicht immer, wie es den Patienten nachher ergangen ist. Daher freuen wir uns, dass bei Ihnen alles so gut verlaufen ist“, sagt Volkmann. Für Björn Findegenant ist es Motivation pur: „In solchen Momenten weiß man, warum den Beruf gelernt hat!“