„Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“
Märkischer Kreis. (pmk). Erfreulich groß war der Andrang bei der Eröffnung der Ausstellung „Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“ im Foyer des Lüdenscheider Kreishauses.
Der Märkische Kreis ist ihr Zuhause geworden. Ob er auch Heimat wurde, hängt auch sehr vom Alter ab. Die Rede ist von den zugezogenen Russlanddeutschen. Das wurde deutlich bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung „Geschichte und Integration der Deutschen aus Russland“, die noch bis zum 28. Mai im Foyer des Lüdenscheider Kreishauses zu sehen ist.
Irina Waal, 25-Jährige aus Lüdenscheid, erzählte ihre Migrationsgeschichte. Sie war noch ein Kind, als sie 1996 aus Alma Ata im heutigen Kasachstan nach Deutschland kam. „Das wollte meine Oma unbedingt“, erzählte sie im vollbesetzten Sitzungssaal des Lüdenscheider Kreishauses. Irina hatte schon Deutsch in der Schule. „Der Start hier war holprig, aber auch keine Katastrophe“, so die 25-Jährige. Seit ihrer Übersiedlung sei sie nie wieder in der alten Heimat gewesen, habe auch keinen Kontakt mehr zu ihren dort noch lebenden Verwandten. „Ich bin in Deutschland angekommen und hier zuhause.“ „Ich wollte nicht nach Deutschland“, gibt Lidia Remisch aus Iserlohn zu. Das habe in erster Linie daran gelegen, dass die Kinder seinerzeit erst zehn und zwölf Jahre alt waren. „Wir haben hier viele Ungerechtigkeiten erlebt“, erinnert sich die Schneiderin. Die 52-Jährige trat in die SPD ein und engagiert sich auf vielfältige Weise in Iserlohner Gremien – unter anderem im Arbeitskreis Integration. „Meine Heimat ist Kasachstan, Deutschland ist mein Zuhause. Heimat hat man nur einmal, zuhause kann man an vielen Orten sein.“ „Ausreisen oder sterben“: Das sei damals für ihn die Entscheidung gewesen, so Eduard Deibert. In der Nähe von Odessa an der Schwarzmeerküste geboren, habe er schöne Erinnerungen an die alte Heimat. „Meine Eltern haben Fürchterliches erlebt“, so der 71-Jährige. Er siedelte 1978 nach Deutschland über. Erst zwei Jahre zuvor war der Regimekritiker aus einer zweijährigen Haft entlassen worden. „Meine Heimat ist jetzt Deutschland“, erklärt Eduard Deibert, der 1997 die russlanddeutsche Künstlergruppe mitbegründete und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. angehört.
Drei ganz persönliche Biografien und nur drei Beispiele dafür, welche wechselvolle Geschichte die Integration der Deutschen aus Russland auch im Märkischen Kreis hatte. „Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist der Kreisverwaltung ein wichtiges Anliegen“, erklärte Landrat Thomas Gemke bei der Ausstellungseröffnung, die musikalisch vom Chor „Heimatmelodie“ aus Dortmund unter der Leitung von Boris Kupferstein umrahmt wurde. Gemke erinnerte daran, dass nach dem Krieg allein in Lüdenscheid 25 Prozent der Wohnbevölkerung Vertriebene und Übersiedler waren. „23.000 Personen sind zwischen August 1989 und Dezember 2009 als Aussiedler aus Russland in den Märkischen Kreis gekommen“, nannte Gemke eine stattliche Zahl. „In Russland waren sie die Deutschen, in Deutschland die Russen. Das war nicht immer einfach.“ „Russlanddeutsche sind die neue Brücke zwischen unseren Ländern“, so Jakob Fischer, Leiter des Projektes „Migration und Integration in Deutschland“. Die Ausstellung im Kreishaus gehört zum Schulunterrichtsprojekt. „Sie wird etwa 200 Mal in Deutschland zu sehen sein. Sie zeigt mit Vorträgen, Schaubildern, Filmen und Tafeln das wechselvolle Schicksal und illustriert die Historie und die kulturellen Verknüpfungen der Russlanddeutschen mit Russland, der ehemaligen Sowjetunion und den daraus entstanden Nachfolgestaaten.
Die Wanderausstellung gibt Einblick in den Leidensweg, den die Russlanddeutschen infolge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Jahr 1941 antreten mussten. Zehntausende verloren ihr Leben durch Deportation, Verschleppung und Ermordung. In den 1990er Jahren kamen viele Deutsche aus Russland als Spätaussiedler zurück nach Deutschland.
Die Ausstellung dokumentiert auch, wie die Rückkehrer in Deutschland wieder Fuß fassten und sich erfolgreich integriert haben. Die vom Bundesministerium des Innern geförderte Wanderausstellung des Bundesverbandes der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland wird zu den üblichen Öffnungszeiten bis zum 28. Mai 2013 im Foyer des Lüdenscheider Kreishauses zu sehen sein und anschließend im Bürgerbüro des Kreises am Griesenbrauck in Iserlohn. Weiterführende Schulen und Berufskollegs können die Ausstellung auch in ihrem Schulgebäude präsentieren. Wer eine Führung buchen möchte, kann sich unter integration@maerkischer-kreis.de oder telefonisch unter 02351/966-6514 an das Integrationszentrum des Märkischen Kreises wenden.